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Vom Schaf Dolly zu den Pharma-Kühen
– oder:
Wie aus Farming Pharming wird
Die Bilder häufen sich: das Tier als
Werbeträger von Industrie und Forschung. Im Jahre 1997 noch
entzückten Aufnahmen von Dolly das Fernsehpublikum der
ganzen Welt. Dolly das Schaf – ein gesundes,
aufgewecktes und zufriedenes Tier.
Auch George und Charlie präsentierten
sich wenig später in
gleicher Manier der Weltpresse. George und Charlie
sind zwei männliche Kälber, Geschwister, und sie sind vollkommen
gleich – erbgleich. Beide haben mit dem Schaf Dolly
etwas gemeinsam: alle drei sind geklont, und zwar aus
Körperzellen erwachsener Spendertiere. – Damals eine Sensation,
so die urhebenden Wissenschaftler selbst !
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Was ist das, dieses Klonen ? – Und
warum ist es mittlerweile in aller Munde ?
Kurz und
knapp gesagt: Das Klonen ist eine Art
Züchtungsvorgang, mit dessen Hilfe man künstlich, d.h. im Labor,
von einem bereits vorhandenen Lebewesen erbgleiche Nachkommen,
gewissermaßen Duplikate, produzieren kann.
Das ist soweit nichts Sensationelles. Vergleichbare
Vorgänge finden sich auch in der Natur, bei den sogenannten
eineiigen Zwillingen. Eineiige Zwillinge entstehen, wenn von
denjenigen Tochterzellen, die während der ersten Teilungen der
befruchteten Eizelle gebildet wurden, wenigstens zwei einen eigenen
Fötus hervorbringen. So etwas ist theoretisch bei den ersten acht
gebildeten Tochterzellen möglich.
Diese Zellen bezeichnet die Wissenschaft als totipotent, da
sie aus sich selbst heraus jede Art von späterer Körperzelle
generieren können, so z.B. Knochen-, Blut-, Leber-, Haut- oder
Nervenzellen.
Die weiteren, im Verlauf der Entwicklung des Föten hervorgebrachten
Zellen besitzen diese Totipotenz nicht mehr, sie differenzieren und
spezialisieren sich. Im ausgewachsenen Organismus besitzen –
zumindest bei Säugetieren und somit auch dem Menschen –
nur die Keimzellen Totipotenz, also nur die Ei- und die
Spermazellen.
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Was im Falle
von eineiigen Zwillingen spontan und mehr
oder weniger unbeeinflusst passiert, wird beim Klonen gerade
mit Absicht herbeigeführt: die Nachkommenschaft soll vollkommen
gleich, d.h. erbgleich, sein.
Darüber hinaus ist es Sinn und Zweck des Klonens, die
Nachkommenschaft in beliebiger Anzahl züchten zu können und das
zudem mit genau vorherbestimmten Eigenschaften.
Und genau dieses Letztgenannte ist das wesentlichste Ziel des Klonens. Folglich
müssen beim Klonen gewisse natürliche Vorgaben einer
geschlechtlichen Vermehrung umgangen werden: bei der basiert das neu
entstehende Leben ja schließlich auf zwei unterschiedlichen
Erbinformationen, eben denen der Eltern. Es werden gewissermaßen die
Karten neu gemischt; das Ergebnis ist kaum vorhersehbar, und es ist zudem
erst beim erwachsenen Wesen mit Sicherheit zu beurteilen. – Das sind
zu lange Zeiträume für effektive Züchtungsversuche.
Beim Klonen umgeht man diese Nachteile mit
einem Trick: Man tauscht den Kern (die Kerne enthalten die
Erbinformationen) einer Eizelle schlichtweg gegen den Kern aus einer
normalen Körperzelle eines Spenders.
Somit erhält der zu züchtende Organismus einen kompletten, d.h.
doppelten, Satz von Erbinformationen und zwar ohne dass dazu zwei
Elternteile gemischt würden – denn es gibt hier ja
nur einen Elternteil.
Die zu verwendende Körperzelle entnimmt man zuvor einem artgleichen
und ausgewachsenen Spender, womit man im Voraus bestens Bescheid
weiß über die Eigenschaften der Nachkommen – sie werden
identisch sein mit denen des Spenders. Wichtig bei dem ganzen Vorgang ist,
dass in der Eizelle schlussendlich ein doppelter Satz an
Erbinformationen vorliegt, denn ansonsten käme es erst gar nicht zur
Bildung eines Föten.
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Nun lag allerdings bisher beim Klonen von
Säugetieren ein scheinbar unlösbares Problem darin, dass
jede einzelne Körperzelle zwar rein physisch einen solchen
doppelten Satz Erbinformationen enthält – was erstaunlich genug
ist –, diese Informationen aber offensichtlich nicht mehr komplett
verfügbar gemacht werden können
(fehlende Totipotenz).
Die eigentliche Sensation um Dolly,
George und Charlie liegt somit in der aus den
zugrundeliegenden Experimenten gezogenen – und mehr oder weniger
berechtigten – Folgerung, dass die Körperzellen von
Säugetieren unter bestimmten Voraussetzungen die
Totipotenz wiedererlangen können.
Allerdings bestehen Zweifel an den Forschungsergebnissen
dahingehend, ob bei den Experimenten tatsächlich Körperzellen
zum Einsatz kamen, oder ob nicht versehentlich sogenannte
Stammzellen erwischt wurden – die sind nämlich
per se totipotent.
Gerade
bei Dolly muss man sich fragen, warum
dieses Schaf innerhalb einer ganzen Reihe von gleichartigen Klonversuchen
das einzige erfolgreiche Experiment war! Mit den Kälbern
George und Charlie hat man immerhin schon mal zwei
Trächtigkeiten erfolgreich initiiert und auch bis zur Geburt
geführt.
Andere Kritikpunkte ergaben sich aus dem weiteren
Lebensweg von Dolly. Nachdem das Schaf im
Frühjahr 1998 sogar Nachwuchs bekam und noch Grund zur Freude
bot, wurden bei dem Tier im Jahre 1999 Alterungs- und
Abnutzungserscheinungen in einem Ausmaße festgestellt, wie
sie normalerweise erst bei deutlich älteren Schafen auftreten.
Schließlich musste Dolly bereits im Alter von 6
Jahren eingeschläfert werden, obwohl Schafe normalerweise
über 10 Jahre alt werden. Eine ernsthafte Erkrankung ihrer Lunge
ließ den Tiermedizinern keine andere Wahl.
Das berühmteste Schaf der Welt wurde ausgestopft und ist heute
in einem Museum in Edinburgh in Schottland zu besichtigen.
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So eindrucksvoll und symphatisch die Präsentation
der tierischen Medienstars auch ablief, so sehr konzentriert
sich die ganze Diskussion drumherum doch recht einseitig auf die Thematik
des Klonens. Die Technik des Klonens an sich
ist nämlich im Grunde ein alter Hut, werden doch
beispielsweise Amphibien (wie Frösche und Kröten) schon seit
Jahrzehnten erfolgreich geklont – wofür deren Eizellen
(gegenüber denen von Säugetieren) allerdings auch weitaus
günstigere Voraussetzungen mitbringen.
Wesentlich eindrucksvoller – und weitreichender in
den Konsequenzen – sind jedoch die dem Klonen vorgeschalteten
Manipulationen an den Erbinformationen selbst.
Die Veränderung des genetischen Codes
ist die eigentliche Grundlage für die moderne Züchtungsforschung.
Nur mit ihr, nicht durch das Klonen, werden gewünschte Eigenschaften
von Organismen direkt und gezielt vorbestimmt.
Die durch die gentechnisch kontrollierte
Züchtung verfolgten Ziele liegen allerdings nicht mehr – wie
noch bei der konventionellen (der Auswahl-)Züchtung – in
einem verstärkten Fleischansatz der Tiere, einem rascheren Erlangen
der Schlachtreife oder in einer Erhöhung der Milchproduktion.
Derartige Erfolge haben heute, in einer Zeit der Marktsättigungen und
in Anbetracht von riesigen Agrarüberschüssen, keine allzu
große Bedeutung mehr.
Nein, die moderne Züchtung richtet ihr Augenmerk auf solche
Nutzeffekte, wie man sie schon seit längerem erfolgreich mit
Bakterien und Pilzen erzielt:
auf die Produktion von definierten chemischen Substanzen –
von Pharmaka.
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Im Gegensatz zu den Mikroorganismen (Bakterien und Pilze)
verfügen die klassischen Nutztiere des Menschen – Rinder,
Schafe, Schweine und Ziegen – über einen weitaus komplexeren
und leistungsfähigeren Organismus. Und deren mannigfaltige
Stoffwechselwege und -potentiale stellen schier
unerschöpfliche Möglichkeiten für biochemische Synthesen
bereit. – Man muss sie sich nur nutzbar machen.
Die Tiere werden dazu genetisch
umprogrammiert, so dass sie ganz bestimmte Wirkstoffe (z.B.
Eiweißstoffe) und diese zudem in möglichst großer Menge
produzieren. Das Tier wird dabei regelrecht zu einer
lebenden Pharmafabrik umfunktioniert. –
Nicht auszudenken: das Glas Milch als Pharma-Drink, die Blutwurst
als Medikament.
Von den Forschern selbst wird in diesem Zusammenhang
schon vielsagend von Pharming gesprochen – in
Anlehnung an den englischen Begriff Farming für die
althergebrachte Form der Landwirtschaft.
Wesentliche Triebfeder für Forschung und Wirtschaft
ist natürlich letztenendes der enorme ökonomische Gewinn, den
eine künftige Pharming-Industrie verspricht
– ein weitaus lukrativeres Geschäft als die Züchtung von
reinen Nährstoff-Lieferanten.
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